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Dhaulagiri-Basislager,
05.05.2003, 10.00 Uhr
Hallo Daheim,
Die Ruhe vor dem Sturm, so könnte man die Situation hier
am besten bezeichnen. Das ganze Lager wartet auf die zweite
Sturmwelle, die Erste verhinderte das ich untenstehende Info
abschicken konnte. Um ineiner Reihenfolge zur letzten Meldung
vom 1.5. zu bleiben im Anschluß erst diese Meldung und
danach die letzten beiden Tage. Dhaulagiribasecamp,
03.05.2003
10.00 Uhr Liebe Freunde, die Situation am Berg ist unverändert,
schlechtes Wetter, wir und alle anderen Expeditionen sitzen
im Basecamp und warten auf besseres
Wetter. Die beiden Sachsen und das Team von Amical sind auch
wieder wohlbehalten unten angekommen.Wir sind froh drüber,
das nichts passiert ist. Denn ganz ungefährlich war diese
Aktion nicht. Sie berichteteten vom Lager 1 im Nord-Ost-Sattel
das schon vor dem Einsetzten des Sturms einige Zelte zusammengebrochen
waren. Außerdem liegt kniehoher Schnee, so daß es
dem Team von Amical nicht gelang ihre Depots alle einzusammeln
und ins Camp 2 zu bringen. Sie sind bis 6300m Höhe gekommen.
Am 02.05. wurde nochmal eine Sturmwarnung rausgegeben für
die Achttausender. Hier unten im Basecamp hat man kaum was davon
gespürt, noch nicht. Aber weit oben ist das Heulen des
Sturmes, auch heute noch, gut zu hören. Riesige Schneefahnen
am Grat, na vielleicht weht es ja den Schnee etwas weg so das
es dann wieder einfach aufzusteigen ist. Wie schon gesagt,hier
unten war das Wetter bis Mittag richtig gut, Sonne, wenig Wind.
Wir haben die Chance genutzt mal zu duschen und Klamotten zu
waschen.
Heute am 03.05. sieht die ganze Sache anders aus. Seit den frühen
Morgenstunden beuteltes hier unten unsere Zelte und draußen
sieht es bedrohlich aus. Überall dunkle Wolken, oben riesige
Sturmfahnen. Mal sehen wie sich das Wetter entwickelt. Die Wetterberichte
geben an das das Sturmtief bis 06. bzw. 08. Mai anhalten soll.
Wir hoffen aber das die Entwicklung so ist, das die Winde nur
oben, ab 7000m so stark sind.Dann könnten wir schon Ausrüstung
hinaufschaffen und Lager 1, vielleichtsogar Lager 2 einzurichten.
Dann nochmal runter und wenn das Wetter paßt, Gipfelversuch.
Nur so kann hier die Taktik aussehen. Das einzige was wirklich
beruhigend ist,das wir genügend Zeit haben. Für die
Chilenen und die beiden anderen Sachsen siehts nicht so gut
aus. Das muß jetzt ein ganz schneller Wetterwechsel einsetzten
oder ein anderes Wunder geschehen.
Uns vieren gehts ansonsten gut. Gesundheitlich alles o.k. Nur
das Warten nervt aber wir hoffen weiter auf Wetterbesserung
und dann gehts los. Vielleicht sogar schon morgen,am 04.05.
Denn so haben wir geplant, wenn die Winde sich weiter nach oben
verlegen. Hoffen wir mal das Beste.
So, das solls auf die Kürze gewesen sein.
Das schrieb ich den Vormittagsstunden
des 03.05.2003 und wollte es nach dem Mittag abschicken. Aber
dann setzten Ereignisse ein, die dies verhinderten.
03.05.2003
12.00 Uhr Der Wind wird immer stärker. Mit Besorgnis sehen
wir, wie es die Zelte schüttelt und es überall den
feinen Schnee reindrückt. 15.00 Uhr ist dann Schluß
mit lustig. Der Sturm wütet mit ganzer Kraft. Wir sind
alle, eingemummt in die Daunensachen, draußen und versuchen
zu retten was zu retten ist. Noch mehr Leinen werden an die
Zelte geknüpft und dann an großen Steinen befestigt.
Unsere Gebetsfahnen flattern wie verrückt im Wind. Ich
versuche ein paar Eindrücke des Sturms mit der Kamera festzuhalten.
Das ist gar nicht so einfach, manchmal hat man Probleme sich
auf den
Beinen zu halten. Noch hält alles. 16.00 Uhr wird der Sturm
böig und dann kracht es das erste Mal gewaltig. Das große
Kuppelzelt wo das Küchenteam drinschläft und unser
Material drin steht, ist an der dem Wind zugewandten Schmalseite
komplett aufgerissen. Aus dem Küchenzelt wird eine Plastikplane
geholt und das Loch wird abgedeckt. Mit vielen Schnüren
wird die Plane befestigt. Tonnen und mit Steinen gefüllte
Transportkörbe werden davor gestellt, vielleicht hält
es. 10 min. später die nächste Katastrophe. Mit einem
riesigen Knall zerreißt es das Küchenzelt. Kocher,
Küchengeräte fliegen durch die Gegend. Hier kann man
nichts mehr retten. Wir bauen den Rest des Zeltes ab und nutzen
es als Plane um die "Kücheneinrichtung"abzudecken.
Große Steine werden daraufgelegt. Der Lärm den Sturm
im Basislager erzeugt ist ohrenbetäubend. Trotzdem höre
ich das
Brechen des der Stangen des Duschzeltes. Es gleicht hier einem
Schlachtfeld. Die beiden Leute ds Küchenteams haben verängstigte
Gesichter. Auch Mingmar hat seine Lockerheit verloren. Wir bauen
ein Hochlagerzelt hier unten auf. In dem können die drei
zur Not schlafen wenn es das große Zelt zerreißt.
In unserem großen Tunnelzelt wo Götz und die beiden
Olafs drin schlafen und wir drinn essen sieht es chaotisch aus.
Alles ist weiß, voller Treibschnee und die Zeltwände
reißt es hin und her so das man Angst bekommt das sie
jeden Moment reißen. Olaf Köhler steht in der hintersten
Ecke der Schlafkabine und drückt mit dem Rücken gegen
die sturmgebeutelte Zeltwand. Manchmalkann man kaum was sehen
im Zeltinneren soviel Treibschnee fliegt umher. Hoffentlich
hält das Zelt. Am wenigsten Probleme bereitet mein kleines
Kuppelzelt wo die ganze Technik untergebracht ist und ich schlafe.
Es ist gut verankert und gespannt. Die Windangriffsflächen
sind natürlich viel kleiner und das Zelt ist für solche
Belastungen konzipiert. Sicherheitshalber lege ich aber trotzdem
noch ein paar Steine auf die Verankerungspunkte. Die Plastefässer,
die mittags durch die Gegend flogen habe ich zusammengebunden
und an Steinen befestigt. Gegen Abend legt sich der Sturm ein
wenig.
Doch Dieter, der mit Amical unterwegs ist, bringt gleich die
nächste Hiobsbotschaft. Morgen soll der Sturm noch stärker
werden. Na, est mal sehen was die Nacht bringt. Vorsichtshalber
habe ich alles verpackt. Die ganze Technik ist schnee- und sturmsicher
in den Koffern eingepackt. Film- und Fotoausrüstung im
Rucksack und alle anderen Sachen in einem Packsack. Nur die
Daunensachen und Handschuhe bleiben draußen damit man
in der Nacht schnell was zur Hand hat. 21.00 Uhr gehen wir schlafen.
Wobei daran nicht zu denken ist. Immer wieder knallen die Sturmböen
gegen die Zelte. Manchmal Ruhe, dann hört man wie sich
der Sturm aufbaut und die Wand auf einen zukommt. Man weiß
genau welche Zelte zuerst flattern, dann kracht es am eigenen
Zelt. Und jedesmal bangt man, das es nicht reicht. Den Jungs
im Nachbarzelt wird es nicht besser gehen. Nach mancher Böe
frage ich "Na, noch alles in Ordnung im Tänzelnden
Pony (so haben wir das Zelt getauft)?" Und sie lachen und
sagen "We are open". Weit nach Mitternacht höre
ich sie draußen heraumlaufen. "Alles o.k" frage
ich und Götz antwortet "Ist schon alles i.o."
In den Morgenstunden legt sich der Sturm dann endgültig.
04.05.2003
8.00 Uhr weckt mich die Sonne im Zelt. Ich schaue hinaus, blauer
Himmel, Sonnenschein aber oben Sturm. Ich nehme die Kamera zur
Hand, Bestandsaufnahme. Das "Tänzelnde Pony"
hat die Nacht doch nicht ganz unbeschadet überstanden.
Auch hier in der Schmalseite jetzt ein großer Riß.
In der Nacht haben die Drei den Riß mit einer Plane abgedeckt.
Das andere Kuppelzelt sieht jetzt viereckig aus. Die Gestänge
hat es total verbogen, aber es steht noch. Ansonsten ziemliche
Verwehungen. Auch bei den anderen Expeditionen gab es zahlreiche
Verluste. Insgesamt wurden 4 Küchenzelte zerstört
und zahlreiche andere Zelte sind reparaturbedürftig. Den
ganzen Tag sind wir mit den Arbeiten beschäftigt. Zum Glück
bleibt der Sturm an diesem Tag oben. Mingmar ruft
in Marpha um zu erfahren ob unsere 5 nepalesischen Helfer schon
angekommen sind. Sie sind vor zwei Tagen aufgebrochen um Zelte
und unnötige Ausrüstung aus unserem Basislager im
Hiddenvalley nach Marpha zu schaffen. Nun müssen sie ein
Küchenzelt und ein großes Kuppelzelt wieder heraufschleppen.
Für uns ist es natürlich großes Glück das
wir soviel Zelte haben und das die Jungs gerade unten sind.
Bis zum Abend haben wir alles soweit in Ordnung gebracht. Aber
an Entwarnung ist nicht zu denken. Abends bekommen wir wieder
Besuch von Dieter. Zwei erneute Sturmmeldungen sind eingegangen.
140km/h in 4700m Höhe sind vorrausgesagt. Heute nacht oder
morgen. Sie selber bauen aus Sicherheitsgründen ihr großes
Mannschaftszelt ab. Wir lassen es stehen. Räumen aber alles
in Packsäcke und bauen ein weiteres Hochlagerzelt auf.
Falls unser "Pony" zerstört wird, ist wenigstens
ein sicherer Schlafplatz vorhanden. Abends herrscht eine schon
beunruhigende Ruhe. Die Ruhe vorm Sturm? Aber die Nacht bleibt
hier unten ruhig. Oben dagegen hört man deutlich das Toben
des Sturms.
05.05.2003
Eitel Sonnenschein im Lager, kein Lüftchen. Am Himmel zerrissene
Wolken, im Gipfelbereich das Übliche, bestimmt weit über
100km/h. Auch wenn es im Moment nicht so aussieht. Alle Zeichen
sind wie vor zwei Tagen. Früh super, oben zerrissene Wolken,
der Dhaulagiri im Sturm und an umliegenden Gipfeln Sturmfahnen.
Gegen 10.00 Uhr die ersten kleinen Wolken aus dem Tal, bald
ist alles zugezogen. Und wenn ich jetzt, 11.30 Uhr zum Zelt
rausschaue sehe ich eine dunkle Wolkenfront. Hoffentlich erreiche
ich noch unseren Verbindungsmann Rainer Mühle um die Nachricht
zu senden. Wir sind schon etwas aufgeregt, beunruhigt. Aber
vielleicht haben wir auch Glück. Vielleicht schützen
uns die umliegenden Wände diesmal vorm Sturm. Wir werden
sehen. Es gibt auch eine positive Meldung. Ein Wetterbericht
sagt aus das vom 07.05. bis 15.05. schönes Wetter sein
soll. Klingt gut was? Ein anderer sagt allerdings nach Sturmende
schwere Schneefälle.
Na glauben wir mal an ersteres. Mit den Wetterberichten ist
es schon schwierig. Manchmal wäre es besser man wüßte
nicht was gemeldet wird. Denn man ist dann irgendwie gehemmt.
Allerdings muß man auch sagen, das es diesmal für
uns nicht so schlecht war. Denn so haben wir keine Ausrüstung
ins Camp 1 gebracht, kein Zelt aufgebaut und damit nichts eingebüßt.
Alle anderen, die oben Zelte stehen haben, gehen davon aus das
alles zerstört ist. Es bleibt als spannend was passiert.
Übrigens hat der chilenische Sirdar, der schon mehrere
Expeditionen am Dhaulagiri mitgemacht hat, gesagt,das es so
etwas noch nie erlebt hat.
Ein paar Neuigkeiten noch zum Schluß:
- Laut Informationen von Amical hat der
Sturm auch im Cho Oyu Basecamp schwere Schäden verursacht.
- Am Everest hat man von der Nordseite
das Camp im Nortcol wieder abgebaut und heruntergebracht.
- Einen Team, die eine schwere Route
am Kangchendzönga klettern wollen, hat eine Lawine das
Depot mit der gesamten Kletterausrüstung verschüttet.
- Gipfelerfolge an Achttausendern sind
uns bis jetzt nicht bekannt geworden.
Also dann herzliche Grüße in sonnige, heiße
Deutschland
Frank im Namen des Teams
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