Dhaulagiri-Basislager, 01.05.2003, 10.00 Uhr

Guten Morgen in der Heimat,

wie man ja deutlich merkt, sind wir nicht aufgebrochen. Das Wetter hier spielt wirklich verrückt und wir machen den sechsten Ruhetag in Reihenfolge. Ich glaube das hat es bei den bisherigen Expeditionen noch nicht gegeben. Unsere Rucksäcke stehen gepackt im Zelt und warten darauf getragen zu werden. Aber da werden sie sich wohl gedulden müssen. Denn es gibt schlechte Meldungen. Der Wetterbericht sagt für morgen einen Hurrikan vorraus. Gechwindigkeiten bis 170km/h im Gipfelbereich. Das Sturmtief soll bis Mittwoch anhalten. Ein schrecklicher Gedanke. Aber es scheint zu stimmen. Denn die unterschiedlichen Wetterberichte, die hier im Camp abgefragt werden sagen alle das Gleiche. Wir werden sehen. Vorsichtshalber werden die Verspannungen an den Zelten nochmal verstärkt. Aber hier unten wird der Sturm natürlich abgeschwächt wirken, schätzungsweise 50-60 km/h. Das ist allerdings auch noch ausreichend.
Doch zurück zur Chronologie.

Dhaulagiri

30.04.2003 Heute früh startete die Trekkinggruppe in Richtung French-und Dhampuspass. Sie werden sich ganz schön mühen müssen. Denn es hat in den letzten Tagen ganz schön viel geschneit und unsere Spuren sind verschwunden. Dafür ist das Wetter wenigstens früh richtig schön und sie werden vom Frenchpass einen herrlichen Ausblick auf den Dhaulagiri haben. Wir hatten auch überlegt zu starten. Aber der viele Schnee bereitete uns doch große Bedenken und so wollen wir abwarten. Einen Tag richtig viel Sonne in die Eigerwand und auf die riesigen Schneeflächen darüber und dann müßten die Lawinen abgegangen sein. Scheinbar dachten die anderen Expeditionen auch so. Denn gegen 5.00 Uhr , der typischen Aufbruchszeit, war niemand unterwegs. Doch gegen halb sieben wühlen dann vier Personen direkt unterhalb der Eigerwand im tiefen Schnee, suchen die Fixseile. Es sind die Climbingsherpas von Amical. Wir können das nicht ganz verstehen. Uns erscheint das als ziemlich riskant. Im letzten Drittel der Querung unterm Eiger sieht man unter einer Rinne schon Spuren von Lawinen. Gegen 8.00 Uhr kommen dann aus dieser Rinne die ersten kleinen Lawinen. Das gibt auch den Berführern von Amical arg zu denken. Sie kommen an unseren Zelten vorbeigerannt und rennen zum Einstieg. Sie schreien und pfeifen. Zum Glück gelingt es Ihnen, das die Sherpas sie hören. Sie drehen um. Gerade rechtzeitig. Sie waren noch 300-400m von der Rinne entfernt. Eine halbe Stunde später donnern dort die Lawinen heraus. Meine Filmkamera kommt kaum zum Stillstand. Erst gegen Mittag lassen die Lawinen nach. Es scheint der größte Teil der Schneemassen heruntergekommen zu sein.

Wenn es nicht nochmal schneit heute wollen auch wir morgen Material ins Lager 1 schaffen. Zwischenzeitlich erfahren wir von der Sturmmeldung. Für uns ist das nicht so dramatisch. Wir brauchen keine Angst um unsere Zelte da oben haben weil ja noch keine stehen. Aber die anderen Expeditionen haben verständlicherweise Bedenken. Sie wollen morgen hinauf um die Zelte zu sichern bzw. zusammenzulegen. Das Team von Amical will ausserdem die verstreuten Depots zu Camp 2 einsammeln. Ansonsten könnte es sein das nach dem Sturm alles weg ist. Wir bleiben bei unserem Plan morgen früh zu starten wenn es nicht schneit. Wir wollen oben schlafen und dann früh ein Zelt abbauen. Das andere gut eingraben und sichern. Wie wir am Tashi Kang gemerkt haben sind die neuen, von
KARSTADTSPORT gestellten Zelte der Firma Mountain Hardwear sehr windstabil und haben unzählige Möglichkeiten der Befestigung. Da dürfte eigentlich nichts passieren. Bedingung ist aber das es nicht schneit. Doch diesen Gefallen tut uns das Wetter nicht. Gegen 13.00 Uhr beginnt es wieder. Nasse Flocken, die hier unten anfangs gleich wieder wegtauen. Doch oben bleibt der Schnee liegen. Bald ist die Aufstiegsspur der Sherpas kaum noch zu sehen. Es schneit zwar nicht stark aber dafür ausdauernd. Erst gegen 19.00 Uhr hört es auf und ein fantastischer Sternenhimmel zieht auf. Aber unser Entschluß steht fest, wir bleiben unten. Kein unnötiges Risiko. Wir haben genug Zeit. Die Leute von Amical wollen morgen früh 3.00 Uhr starten. Auch die beiden anderen Sachsen.Sie wollen ihre Fotoapperate und Daunenjacken sicherheitshalber runterholen. Ein bißchen können wir sie schon verstehen aber ein gewisses Risiko bleibt natürlich. Wir wünschen Ihnen viel Glück.

01.05.2003 2.00 muß ich mal raus. Alles neblig und es schneit leicht. Da kann ich mich beruhigt wieder hinlegen, die Entscheidung Ruhetag war goldrichtig.
3.00 Uhr wecke ich auf da ich Schritte höre. Es ist das Team von Amical, die wie geplant aufbrechen, etwas später dann die beiden Sachsen. Als wir gegen 8.00 Uhr aufstehen ist dann bestes Wetter und wir sehen dieBergsteiger schon weit hinter der Gefahrenzone der Eigerwand. Denn schon bald verschwinden die Spuren unter den ersten Lawinen. Gegen 10.00 Uhr zieht es aber schon zu so das die Lawinentätigkeit nachläßt. Denn einige wollen von da oben heute wieder runter, zurück ins Basecamp. Hoffentlich passiert nichts. Wir hängen am Fernglas und beobachten. Aber bald verdecken uns Wolken die Sicht. Wir werden erst am Nachmittag mehr wissen. Wie es jetzt so richtig weitergeht werden erst die
nächsten Tag zeigen. Vielleicht dauert ja der Sturm nicht so lange wie vorrausgesagt. Aber vor Sonntag ist kaum mit eienm Start zu rechnen. Für die Chilenen und die zwei Sachsen ist das ziemlich hart. Denn ihr Zeitplan sieht eine Abreise vom Basecamp schon für den 10.5. vor. Da bleibt nicht mehr viel Zeit. Und wir müssen uns in Geduld üben. Das fällt aber gar nicht so leicht. Dieses Warten und Nichtstun zerrt ganz schön an den Nerven. Und das Schlimmste ist, der Lesestoff geht aus. Da werden wir bald die alten Expeditionsberichte, die noch auf dem Laptop sind, lesen. Aber was solls. Unser heimlicher Gedanke vom schnellen Erfolg am Dhaulagiri ist dahin. Jetzt heißt es Ruhe bewahren, abwarten und den "Lagerkoller" möglichst gering halten und nicht "wundliegen" wie Ole Zill immer treffend bemerkt. Ansonsten geht es uns vieren gut, keine Probleme oder Krankheiten. Gestern abend haben wir auch erfahren, das Angela, Bernd und Heiko gesund in Kathmandu angekommen sind, Angela ist sogar schon wieder zu Hause.

Also seid ganz herzlich gegrüßt aus dem Schlechtwettertal.

Mit herzlichen Grüßen
Frank im Namen der Mannschaft