Sächsische
Himalaya Gesellschaft e.V.
6.
Gipfelerfolge - Frank Meutzner berichtet (2./4.5.)
Manaslu ABC, 2.5.99
Am 29.4. gegen 16.00 Uhr erreichten Götz Wiegand und Jörg Stingl den Gipfel des 8163m
hohen Manaslu.
Aber der Reihenfolge nach:
Am 25.4. startete die Vierergruppe Götz, George, Ole und ich zum Gipfelversuch. Pro Tag
ein Lager und so waren wir am 27.4. im Lager 3 angelangt. Das Camp 4 war leider noch nicht
eingerichtet. Die Dreiergruppe Max, Ehrli und Volker konnten es nicht einrichten und die
Zweiergruppe vor uns aus Dieter und Meppel konnten das Zelt wegen starken Windes nur etwas
über unserem Lager 3 deponieren.
Obwohl wir bereits fünf Uhr begonnen hatten zu kochen, starteten wir erst 8.00 Uhr. Das
Kochen, Zusammenpacken der Sachen, Anlegen der Gurte und Steigeisen dauert in dieser Höhe
immer länger als man denkt. Nach einer Stunde erreichten wir das angelegte Depot von
Dieter und Meppel. Schnell das Material aufgeteilt und weiter geht's. Schneepassagen
weichen immer steileren Firnflanken.Teilweise sind alte Fixseile sichtbar, aber nicht
verwendbar. Angeseilt in zwei Zweierseilschaften kämpfen wir uns weiter nach oben. Wir
suchen einen guten Weg durch das Eisgewirr. Zum Fixseillegen haben wir kaum Zeit. Den
ganzen Tag bläst eiskalter Wind, so daß wir in Daunensachen gehen.
Gegen 15.00 Uhr erreichen wir die sogenannte Rampe. Nach den bis zu 45° steilen
Firnfeldern mit hartem Schnee endlich etwas flacher. Weiter geht's durch Tiefschnee und
Blankeispassagen. Überall verwirrende alte Fixseile.
Endlich gegen 17.00 finden wir das Zelt der kanadischen Expedition. Hier müssen auch wir
unser Zelt aufbauen. Ich bin eine Weile vor den anderen da und beginne mit dem Ausschaufel
einer Plattform, George unterstützt mich später. Kaum vorstellbar, welche Anstrengung
das in knapp 7300m kostet. Nach einer Stunde müssen wir feststellen, daß es ohne
größere Risiken von Erfrierungen nicht möglich ist das Zelt aufzustellen. Es ist schon
dunkel und die Temperaturen sind empfindlich gesunken. So beschließen wir in das Zelt der
Kanadier zu kriechen. Da gerade Funkzeit ist wollen wir sie fragen ob, sie etwas dagegen
haben, müssen aber voller Entsetzen feststellen, daß unser Funkakku leer ist, obwohl wir
ihn neu geladen mit hier heraufgenommen haben.Wir gehen davon aus, daß die Kameradschaft
am Berg entscheidend ist, und nutzen das Zelt. Es ist unwahrscheinlich eng darin, da es
nicht für vier Personen ausgelegt ist. Wir kochen etwas Tee. Aber von Erholung und Schlaf
kann nicht die Rede sein. Alle sind geschafft von dem kräftezehrenden Aufstieg.
Gegen 3.00 Uhr starten George und Götz den ersten Versuch, sind aber nach
wenigen Minuten wieder da. Zu stürmisch und zu dunkel, so ihr Kommentar. 6.00 Uhr als der
Wind sich etwas gelegt hat, starten sie dann. Endlich etwas Platz im Zelt. Ole und ich
starten eine Stunde später. Durch Blankeisfelder geht es zum Plateau. Dort finden wir
zerfetzte Zelte und an einen blau schimmernden Blankeishang geht es empor auf ein
zweites riesiges Plateau.
Es ist 9.00 Uhr und ca. 1-1,5 h vor uns sehen wir George und Götz in einem Steilhang,
noch weit entfernt vom Gipfel. Immer noch bläst dieser verdammt eiskalte starke Wind.
Später erzählen uns die beiden, daß es zu diesem Zeitpunkt bei Ihnen nicht so windig
und kalt war. Ich habe eisig kalte Füße uns als ich meine Handschuhe ausziehe, sehe ich
blaue Finger. Wieso eigentlich? Es ging doch bis jetzt alles gut. Ich bin hin- und
hergerissen. Aber die Realität holt mich ein. Das ist heute nicht der Gipfeltag für
mich. Auch Ole fühlt sich nicht ganz fit und so beschließen wir die Umkehr. Es ist eh
schon ganz schön spät. Aber immerhin 7500m, für Ole ein neuer Höhenrekord. Die Umkehr
fällt mir wahnsinnig schwer. Aber lieber ohne Gipfel und ohne Erfrierungen als
umgekehrt.
Gegen 11.00 Uhr wieder im Zelt angekommen sind, beschließen wir, nicht weiter abzusteigen
sondern auf unser Gipfelteam zu warten um eventuell helfen zu können. Wir graben eine
neue Plattform für unser Zelt aus und schlafen etwas. Mittlerweile kämpfen sich die
beiden zum Gipfel, ewig weit wie sie erzählen. Und immer wieder eine neue Felsspitze, die
aber noch nicht der Gipfel ist.
Gegen 14.00 Uhr ziehen Wolken auf und die beiden stehen im Nebel. Aber trotzdem kämpfen
sie sich bis zum Gipfel. Die letzten Meter auf einem ausgesetzten Felsgrat sichern sie
sich.
16.00 Uhr, die Sächsische Manaslu Expedition'99 war erfolgreich.
Gratulationen
.
Aber erstmal noch der Abstieg für die beiden. Zum Glück haben sie Markierungsfähnchen
gesetzt.
Endlich gegen 20.00 Uhr erreichen sie unser Zelt. Todmüde, erschöpft aber glücklich.
Der Abstieg am nächsten Tag wird zur Odyssee. Schon gegen 12.00 Uhr zieht es völlig zu
und es beginnt stark zu schneien. Unsere Abstiegsroute, eine ganz andere als die
Aufstiegsroute, kennen wir nur per Fernglas und hoffen, daß die Kanadier dort einige
Fähnchen gesteckt haben. Wir treffen noch Max im Aufstieg ins Lager 4, etwas später
folgen Volker und Ehrli. Im völligen Whiteout (die Bezeichnung der Bergsteiger dafür
wenn man nichts mehr sieht) beschließt Ehrli mit abzusteigen. Meter für Meter tasten wir
uns ins Lager 3 hinab. Manchmal nur 10 m Sicht. Eigentlich wollten wir an diesem Tag bis
ins ABC, sind dann froh, vor Einbruch der Dunkelheit das Camp 3 zu erreichen. Am nächsten
Tag weiter runter, natürlich wieder als Ziel das ABC.
Kurz vor Camp 1 zieht ein schweres Gewitter auf. Während Ehrli und ich gerade noch in
die Zelte kommen, kämpfen George, Götz und Ole im Schneesturm mit der Elektrizität.
Zuerst ein Summen in der Luft. Dann erhält Ole einen Schlag, daß er in den Schnee
stürzt. George verspürt starke Schläge im Kopf. Blitzschnell werfen sie alle
metallischen Teile weg und rennen so schnell wie möglich ins Zelt. Die Angst steht ihnen
ins Gesicht geschrieben. Mit Gewitter am Manaslu ist nicht zu spaßen. Friedl Mutlechner,
ein bekannter Höhenbergsteiger, der schon einige Achttausender bestiegen hatte, wurde
hier im Abstieg vom Gipfel vom Blitz erschlagen. So will keiner erstmal das Zelt
verlassen. Aber wir wissen, alle fünf können wir hier nicht bleiben. Es gibt nur 3
Matten und 3 Schlafsäcke.
Endlich gegen 17.30 Uhr scheint sich das Gewitter verzogen zu haben und Ehrli und ich
beschließen den Abstieg. Schon bald holt uns die Dunkelheit ein und in dem Schnee haben
wir Probleme den Weg und die verschneiten Fixseile zu finden. Endlich erreichen wir gegen
20.00 Uhr das letzte Fixseil. Da taucht hinter dem verschneiten Felsrücken ein Licht auf.
Es ist Mingmar unser Sirdar. Per Funk hat er von unserem späten Abstieg erfahren und eilt
uns mit heißen Getränken entgegen, ein wirklicher Freund. 21.00 Uhr erreichen wir das
ABC. Am 2.5. gegen 11.30 Uhr erreichen die anderen Drei das Lager. Die Freude ist groß,
alles ist gut gegangen. Herzliche Umarmungen und Glückwünsche. Aber noch sind vier
weitere unserer Expedition am Berg unterwegs, also weiterhin Daumendrücken. Das Wetter
hat sich wirklich verschlechtert in den letzen 3 Tagen. Ab 12.00 Uhr zugezogen und ab
14.00 Gewitter. Wir werden sehen wie sich das weiterhin entwickelt, eigentlich ist noch
Zeit für weitere Gipfelversuche.
Manaslu ABC, 4.5.99, 14.00 Uhr Manasluzeit
Vor einer Stunde sind die beiden Gipfelsieger Volker Tiller und Markus Walter gesund im
vorgeschobenen Basislager eingetroffen. Am 2.5. 99 gegen 12.00 Uhr hatten sie den Gipfel
des Manaslu bezwungen. Sie waren früh 2.00 Uhr bei Mondschein gestartet und erzählten,
daß es ein herrlicher Aufstieg im Mondschein war. Den vorherigen Schlechtwettertag
warteten sie im Lager 4 ab. Nun sind schon 4 der 9 Teilnehmer der Sächsischen
Manasluexpedition auf dem Gipfel gewesen. Für Götz Wiegand war es übrigens sein dritter
Achttausender und für Jörg Stingl (George) nach vier Versuchen sein erster
Achttausender. Nach dem Pech der letzten Jahre eine schöne Leistung von allen
Expeditionsmitgliedern, finde ich.
Nach einer Statistik von Elisabeth Hawley, die den Überblick über die
Achttausenderbesteigungen hat, sind die vier Nr. 180 bis 183 der Manaslubesteiger. Und
bezieht man das nur auf Deutschland, so sind sie Nr. 21 bis 24. Und noch besteht
Hoffnung auf weitere Besteigungen. Dieter Rülker und Reinhard Mittag sind derzeitig in
Camp 4. Sie wollen morgen zu einem Gipfelversuch starten. Auch ich habe mich entschlossen
noch ein zweiten Versuch zu machen. Zusammen mit Jörg Ehrlich geht es am 6.5. los. In der
Zwischenzeit wird dann schon mit dem Abbau und Abtransport nicht mehr benötigter Zelte
und Ausrüstung aus den Lagern 1 bis 3 begonnen. Bleibt zu hoffen, daß das Wetter,
welches leider nicht mehr so schön und konstant wie zum Anfang ist, noch mitspielt und
daß die, die uns zu Hause schon eine ganze Weile die Daumen drücken, noch ein bißchen
durchhalten.
Herzliche Grüße in die Heimat sendet Frank Meutzner auch im Namen der ganzen Mannschaft
Lager 1
Satellitentelefon-Gespräch
5.5.99:
Dieter Rülker und Reinhard Mittag haben heute 12 Uhr den Gipfel des Manaslu erreicht. Den
gestrigen Schlechtwettertag konnten sie im Lager 4 auszuharren, da die anderen
Expeditionsmitglieder im vorgeschobenen Basislager, 4700 m, sind, und so kein Zeitdruck
vorhanden war. Auf dem Gipfel war es sehr windig, aber die Aussicht war grandios...
Antje Lösche
Gratulationen
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