Schon am 28. 5. brachen
George und ich auf, um im Eilmarsch in drei Tagen nach Lukla
zu laufen, um am darauffolgenden Tag nach Kathmandu zu fliegen.
Die Eile war nötig, da unser Filmmaterial für die Biwak-Sendung
im MDR noch rechtzeitig nach Deutschland musste. Die anderen
starteten einen Tag später zusammen mit dem ganzen Transport-Tross.
Von Syanboche aus flogen sie mit dem Hubschrauber nach Jiri.
Von dort aus ging es mit dem Bus nach Kathmandu, das sie am
1. Juni erreichten. Alles war in Ordnung.
Doch am nächsten Morgen das Entsetzen. In der Nacht war fast
die ganze Königsfamilie ermordet worden. Noch am selben Tag
wurden die Leichen aufgebahrt, in einem riesigen Aufzug durch
die Stadt getragen, eine letzte Möglichkeit für die Bevölkerung,
Abschied zu nehmen. Eine Million Menschen säumten die Straßen,
unvorstellbar die Anteilnahme und auch die Trauer. Die meisten
Menschen hier mochten ihren König. Der gesamte Umzug verlief
trotz der Menschenmassen ausgesprochen friedlich. Wir selber
waren von diesem Verbrechen stark schockiert. Ein Land und
dessen Menschen wir seit Jahren schätzen, besonders für ihre
Freundlichkeit und Friedfertigkeit, stehen nun in den Negativschlagzeilen
der internationalen Presse.
Doch die eigentlichen Unruhen begannen erst zwei Tage später,
als der schwerverletzte Kronprinz, der mittlerweile zum König
erklärt worden war, im Krankenhaus verstarb. Hier glaubte
niemand so recht daran, dass er seine Familie umgebracht hat,
und vieles spricht dagegen. Zum König wurde jetzt der Onkel
erklärt, und der ist bei der Bevölkerung nicht gerade beliebt.
Das Volk will jetzt keinen König mehr, sondern einen Präsidenten
und Demokratie, so jedenfalls erzählen es uns die Leute. Es
kam zu Massenaufläufen, Straßensperren, und leider wurden
auch Menschen erschossen. Ausgangssperren wurden und werden
verhängt. Thomas und ich hatten ja schon einen Flug für den
4. 6., aber ein Durchkommen zum Flughafen war nicht möglich,
Straßensperren, Straßenkämpfe.
Der Touristenbezirk Thamel, in dem wir auch wohnen, blieb
zwar von den Unruhen verschont, aber er gleicht einem Geisterdorf.
In dem sonst von Touristen und Händlern überquellenden Gebiet
herrscht meist Totenstille. Die Straßen sind leer, alle Geschäfte
und Gaststätten sind geschlossen. Nur vormittags haben einige
wenige geöffnet. Ab 12 Uhr Ausgangssperre. Wir sitzen im Hotel
und warten ab. Gefahr besteht für uns keine. Wir denken, dass
sich in den nächsten Tagen alles beruhigt. Fünf Tage Staatstrauer
sind angesetzt. Das bedeutet hier aber auch, dass alle Behörden
geschlossen haben. So auch der Zoll und das Cargooffice, wo
wir unser Gepäck nach Deutschland schicken.
Unsere Flüge gehen ja am 11. 6. (Ankunft am 12. 6.), und bis
dahin muss alles erledigt sein, ein schwieriges Problem. Doch
wir bleiben optimistisch und hoffen, dass sich alles klärt.
Thomas und ich versuchen noch, irgendwie eher hier wegzukommen,
um in Deutschland einiges zu klären und vorzubereiten. So
zum Beispiel unsere Talkrunde im Karstadt Dresden, unsere
Wiederkommensparty in Dresden und den Expeditionsfilm.
Hier
die Termine:
14.
6., 17 Uhr Talkrunde mit den Expeditionsmitgliedern
in der Sportabteilung von Karstadt Dresden;
29.
6., 20 Uhr Wiederkommensparty mit 1 000 Litern
Freibier und Musik von den Midnihgt Ramblers und den G-Durs
in der Neuen Mensa in Dresden (gleicher Ort wie Verabschiedungsparty);
11.
7., 20.15 Uhr MDR Sachsenspiegel Extra, Ausstrahlung
des Expeditionsfilmes. So, das soll's gewesen sein aus Kathmandu.
Ich hoffe, der nächste und letzte Bericht folgt dann aus Dresden,
wo wir von unserer pünktlichen Ankunft berichten können. Ach
ja, eins noch und nicht zu vergessen. Vielen Dank fürs Daumendrücken.
Herzliche
Grüße sendet Frank auch im Namen der anderen Vier.
Einzelheiten
über das Massaker im nepalesischen Königshaus
Bruder der ermordeten Königin beschreibt die Tat
des Kronprinzen Dipendra - Gespannte Ruhe in Kathmandu
Fünf
Tage nach dem Blutbad im königlichen Palast von
Nepal sind am Mittwoch erstmals Einzelheiten des
Massakers bekannt geworden. Der Bruder der ermordeten
Königin Aishwarya, Suraj Shamsher Rana, berichtete
der Nachrichtenagentur AP, Kronprinz Dipendra
sei bei der Tat betrunken gewesen. Nach den Massenprotesten
der vergangenen Tage herrschte am Mittwoch in
der Hauptstadt Kathmandu gespannte Ruhe. Bislang
gibt es keine offizielle Darstellung über die
Vorgänge im Königspalast.
Nach Ranas Schilderung verwies König Birendra
seinen angetrunkenen Sohn am Freitag von einem
Familientreffen, nachdem dieser sich unangemessen
verhalten hatte. Eine halbe Stunde später sei
Dipendra dann mit einem Sturmgewehr erschienen
und habe erst seinen Vater erschossen. Anschließend
ging er nach Ranas Worten in den Garten, wo er
seine Mutter erschoss und zwei seiner Brüder tötete,
die sich ihm in den Weg stellen wollten. Nach
den tödlichen Schüssen auf insgesamt neun Mitglieder
des Königshauses habe Dipendra dann die Waffe
gegen sich gerichtet und abgedrückt, erklärte
Rana. Er bestätigte zudem die Gerüchte über den
Streit, den Dipendra wegen seiner Freundin mit
seinen Eltern hatte.
Rana war am Freitag nicht im Königspalast, seine
Informationen über das Geschehen erhielt er nach
eigenen Angaben von Augenzeugen. Ranas zweite
Schwester, die neue Königin Komal wurde bei dem
Blutbad ebenfalls verletzt. Er habe Komal mehrfach
im Krankenhaus besucht, sagte Rana. Vor dem Königspalast
standen am Mittwoch tausende Trauernde an, die
den Toten die letzte Ehre erweisen wollten. Ein
Großaufgebot der Polizei kontrollierte die Straßen
in Kathmandu. Bis zum Nachmittag wurde kein neues
Ausgehverbot verhängt, ein Teil der Geschäfte
hatte wieder geöffnet. Wegen Missachtung der Ausgehsperre
nahmen die Behörden am Dienstag nach eigenen Angaben
450 Personen fest. 14 Menschen seien von Polizisten
angeschossen worden, berichteten Ärzte.
Der Zorn der Demonstranten richtete sich vor allem
gegen Gyanendra, den Bruder des ermordeten Königs,
der am Montag gekrönt wurde. Er hatte das Massaker
zunächst als Unfall mit einer automatischen Waffe
bezeichnet, diese Darstellung später jedoch revidiert.
Trotz des Abflauens der Unruhen blieb das Auswärtige
Amt bei seiner Warnung vor Reisen in den Himalajastaat.
Ein Sprecher sagte am Mittwoch in Berlin, die
Unruhen nach dem ungeklärten Massaker im Königspalast
könnten jederzeit wieder ausbrechen. Der Zugang
zum Flughafen sei möglich. Deutsche Touristen
seien von den Royal Nepalese Airlines und inzwischen
auch von anderen Gesellschaften nach Frankfurt
ausgeflogen worden, hieß es weiter. Derzeit sitzen
nach Informationen des Auswärtigen Amtes keine
deutschen Touristen in Kathmandu fest. Touristen,
die noch im Lande unterwegs sind, wurde empfohlen,
sich baldmöglichst bei der Botschaft zu melden.
©
AP
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