02.06.2001


Schon am 28. 5. brachen George und ich auf, um im Eilmarsch in drei Tagen nach Lukla zu laufen, um am darauffolgenden Tag nach Kathmandu zu fliegen. Die Eile war nötig, da unser Filmmaterial für die Biwak-Sendung im MDR noch rechtzeitig nach Deutschland musste. Die anderen starteten einen Tag später zusammen mit dem ganzen Transport-Tross. Von Syanboche aus flogen sie mit dem Hubschrauber nach Jiri. Von dort aus ging es mit dem Bus nach Kathmandu, das sie am 1. Juni erreichten. Alles war in Ordnung.

Doch am nächsten Morgen das Entsetzen. In der Nacht war fast die ganze Königsfamilie ermordet worden. Noch am selben Tag wurden die Leichen aufgebahrt, in einem riesigen Aufzug durch die Stadt getragen, eine letzte Möglichkeit für die Bevölkerung, Abschied zu nehmen. Eine Million Menschen säumten die Straßen, unvorstellbar die Anteilnahme und auch die Trauer. Die meisten Menschen hier mochten ihren König. Der gesamte Umzug verlief trotz der Menschenmassen ausgesprochen friedlich. Wir selber waren von diesem Verbrechen stark schockiert. Ein Land und dessen Menschen wir seit Jahren schätzen, besonders für ihre Freundlichkeit und Friedfertigkeit, stehen nun in den Negativschlagzeilen der internationalen Presse.

Doch die eigentlichen Unruhen begannen erst zwei Tage später, als der schwerverletzte Kronprinz, der mittlerweile zum König erklärt worden war, im Krankenhaus verstarb. Hier glaubte niemand so recht daran, dass er seine Familie umgebracht hat, und vieles spricht dagegen. Zum König wurde jetzt der Onkel erklärt, und der ist bei der Bevölkerung nicht gerade beliebt. Das Volk will jetzt keinen König mehr, sondern einen Präsidenten und Demokratie, so jedenfalls erzählen es uns die Leute. Es kam zu Massenaufläufen, Straßensperren, und leider wurden auch Menschen erschossen. Ausgangssperren wurden und werden verhängt. Thomas und ich hatten ja schon einen Flug für den 4. 6., aber ein Durchkommen zum Flughafen war nicht möglich, Straßensperren, Straßenkämpfe.

Der Touristenbezirk Thamel, in dem wir auch wohnen, blieb zwar von den Unruhen verschont, aber er gleicht einem Geisterdorf. In dem sonst von Touristen und Händlern überquellenden Gebiet herrscht meist Totenstille. Die Straßen sind leer, alle Geschäfte und Gaststätten sind geschlossen. Nur vormittags haben einige wenige geöffnet. Ab 12 Uhr Ausgangssperre. Wir sitzen im Hotel und warten ab. Gefahr besteht für uns keine. Wir denken, dass sich in den nächsten Tagen alles beruhigt. Fünf Tage Staatstrauer sind angesetzt. Das bedeutet hier aber auch, dass alle Behörden geschlossen haben. So auch der Zoll und das Cargooffice, wo wir unser Gepäck nach Deutschland schicken.

Unsere Flüge gehen ja am 11. 6. (Ankunft am 12. 6.), und bis dahin muss alles erledigt sein, ein schwieriges Problem. Doch wir bleiben optimistisch und hoffen, dass sich alles klärt. Thomas und ich versuchen noch, irgendwie eher hier wegzukommen, um in Deutschland einiges zu klären und vorzubereiten. So zum Beispiel unsere Talkrunde im Karstadt Dresden, unsere Wiederkommensparty in Dresden und den Expeditionsfilm.

Hier die Termine:

14. 6., 17 Uhr Talkrunde mit den Expeditionsmitgliedern in der Sportabteilung von Karstadt Dresden;

29. 6., 20 Uhr Wiederkommensparty mit 1 000 Litern Freibier und Musik von den Midnihgt Ramblers und den G-Durs in der Neuen Mensa in Dresden (gleicher Ort wie Verabschiedungsparty);

11. 7., 20.15 Uhr MDR Sachsenspiegel Extra, Ausstrahlung des Expeditionsfilmes. So, das soll's gewesen sein aus Kathmandu. Ich hoffe, der nächste und letzte Bericht folgt dann aus Dresden, wo wir von unserer pünktlichen Ankunft berichten können. Ach ja, eins noch und nicht zu vergessen. Vielen Dank fürs Daumendrücken.

Herzliche Grüße sendet Frank auch im Namen der anderen Vier.


Einzelheiten über das Massaker im nepalesischen Königshaus

Bruder der ermordeten Königin beschreibt die Tat des Kronprinzen Dipendra - Gespannte Ruhe in Kathmandu

Fünf Tage nach dem Blutbad im königlichen Palast von Nepal sind am Mittwoch erstmals Einzelheiten des Massakers bekannt geworden. Der Bruder der ermordeten Königin Aishwarya, Suraj Shamsher Rana, berichtete der Nachrichtenagentur AP, Kronprinz Dipendra sei bei der Tat betrunken gewesen. Nach den Massenprotesten der vergangenen Tage herrschte am Mittwoch in der Hauptstadt Kathmandu gespannte Ruhe. Bislang gibt es keine offizielle Darstellung über die Vorgänge im Königspalast.

Nach Ranas Schilderung verwies König Birendra seinen angetrunkenen Sohn am Freitag von einem Familientreffen, nachdem dieser sich unangemessen verhalten hatte. Eine halbe Stunde später sei Dipendra dann mit einem Sturmgewehr erschienen und habe erst seinen Vater erschossen. Anschließend ging er nach Ranas Worten in den Garten, wo er seine Mutter erschoss und zwei seiner Brüder tötete, die sich ihm in den Weg stellen wollten. Nach den tödlichen Schüssen auf insgesamt neun Mitglieder des Königshauses habe Dipendra dann die Waffe gegen sich gerichtet und abgedrückt, erklärte Rana. Er bestätigte zudem die Gerüchte über den Streit, den Dipendra wegen seiner Freundin mit seinen Eltern hatte.

Rana war am Freitag nicht im Königspalast, seine Informationen über das Geschehen erhielt er nach eigenen Angaben von Augenzeugen. Ranas zweite Schwester, die neue Königin Komal wurde bei dem Blutbad ebenfalls verletzt. Er habe Komal mehrfach im Krankenhaus besucht, sagte Rana. Vor dem Königspalast standen am Mittwoch tausende Trauernde an, die den Toten die letzte Ehre erweisen wollten. Ein Großaufgebot der Polizei kontrollierte die Straßen in Kathmandu. Bis zum Nachmittag wurde kein neues Ausgehverbot verhängt, ein Teil der Geschäfte hatte wieder geöffnet. Wegen Missachtung der Ausgehsperre nahmen die Behörden am Dienstag nach eigenen Angaben 450 Personen fest. 14 Menschen seien von Polizisten angeschossen worden, berichteten Ärzte.

Der Zorn der Demonstranten richtete sich vor allem gegen Gyanendra, den Bruder des ermordeten Königs, der am Montag gekrönt wurde. Er hatte das Massaker zunächst als Unfall mit einer automatischen Waffe bezeichnet, diese Darstellung später jedoch revidiert.

Trotz des Abflauens der Unruhen blieb das Auswärtige Amt bei seiner Warnung vor Reisen in den Himalajastaat. Ein Sprecher sagte am Mittwoch in Berlin, die Unruhen nach dem ungeklärten Massaker im Königspalast könnten jederzeit wieder ausbrechen. Der Zugang zum Flughafen sei möglich. Deutsche Touristen seien von den Royal Nepalese Airlines und inzwischen auch von anderen Gesellschaften nach Frankfurt ausgeflogen worden, hieß es weiter. Derzeit sitzen nach Informationen des Auswärtigen Amtes keine deutschen Touristen in Kathmandu fest. Touristen, die noch im Lande unterwegs sind, wurde empfohlen, sich baldmöglichst bei der Botschaft zu melden.

© AP


   

   
 

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