Frank und Olaf erneut in der Südflanke


 Tagebuch vom 22.05. - 25.05.

22.05. Aufbruch im BC
23.05. Aufstieg bis Camp 3
24.05. Gipfelangriff
25.05. Zurück ins Basislager



Endlich gegen 14 Uhr kann ich unterhalb des Gelben Bandes zwei rote Punkte ausmachen, das müssten sie sein. Unendlich langsam kommen sie näher. Sie sind es. George scheint völlig fertig zu sein. Aller fünf bis zehn Meter setzt er sich in den Schnee. Ich kann das gut nachvollziehen.



08.06.2001 Mount Everest Basecamp


Hallo, Ihr da in der Heimat. Nun endlich wieder mal eine Meldung von uns. Wie ja bestimmt schon bekannt geworden ist, überschlagen sich hier die Ereignisse und so blieb bisher keine Zeit zum Schreiben. Wir sitzen derzeit alle gesund, aber etwas nervlich angeschlagen in unserem Hotel, es herrscht Ausgangssperre in Kathmandu. Aber mal der Reihenfolge nach. Der letzte Bericht endete mit der Beschreibung der Gipfelbesteigung, und Ole und ich waren auf dem Weg nach oben.

22.05. 5.30 Uhr brechen Ole und ich vom Basislager ins Lager 2 auf. Doch der gewohnte Weg durch den Eisbruch hat sich erheblich geändert, besonders im oberen Drittel. Ganze Passagen mit Eistürmen und Leitern sind komplett verschwunden. Nur eine riesige Wüste aus Eistrümmer-Blöcken beherrscht das Blickfeld. Bloß gut, dass alles nachts zusammengebrochen ist. Der Gedanke an anderes lässt mich erschauern. Bloß durch hier. Gegen Mittag erreichen wir Camp 2 und warten auf Funkverbindung mit dem Gipfelteam. 15 Uhr meldet sich Götz und erzählt, dass er unten geblieben ist und die beiden anderen im Aufstieg sind. Da meldet sich George und teilt mit, das Thomas abgestiegen ist und er weitergehen will. Noch ca. eine Stunde wäre es bis zum Gipfel. Der Rest der Gipfelgeschichte ist ja bekannt und es ist kaum beschreibbar, was für ein Stein mir vom Herzen fiel, als endlich gegen dreiviertel neun die Meldung von Götz ankam, dass George wieder gesund im Camp 4 angekommen ist und noch dazu mit Gipfelerfolg. Beruhigt schliefen wir ein.


23.05. Aufstieg ins Camp 3 ohne Probleme. Dort warten wir auf Götz und George, die ja heute eigentlich ins Lager 2 absteigen wollen. Aber Stunde um Stunde vergeht, zahlreiche Sherpas und Bergsteiger kommen von oben runter, nur die beiden nicht. Endlich gegen 14 Uhr kann ich unterhalb des Gelben Bandes zwei rote Punkte ausmachen, das müssten sie sein. Unendlich langsam kommen sie näher. Sie sind es. George scheint völlig fertig zu sein. Aller fünf bis zehn Meter setzt er sich in den Schnee. Ich kann das gut nachvollziehen. Nach so einem Gipfelgang ist es eine unvorstellbare Strapaze, wenn man am Ende ist mit seinen Reserven. Gegen 16 Uhr erreichen die beiden unser Zelt, wir umarmen sie. George sieht wirklich mitgenommen aus. An einen weiteren Abstieg ins Lager 2 ist nicht zu denken. Also müssen wir uns hier irgendwie einrichten. George nehmen wir zu uns ins Zelt. Götz nutzt ein leerstehendes Zelt einer anderen Expedition. Bevor George einschläft, gelingt es mir noch, ein Interview mit ihm über den Gipfelgang zu machen. Ich glaube, wenn er sie sieht, wird er selber erstaunt sein


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24.05. Gegen 8 Uhr brechen Ole und ich auf. George geht's besser, und die beiden wollen dann ins Camp 2 absteigen. Gleich hinterm Lager 3 steilt die Route auf. Langsam, ganz langsam steigen wir auf. Wir wollen keine unnötige Kraft vergeuden und haben genug Zeit. Wieder kommen unzählige Menschen von oben. Am Vortag haben viele Bergsteiger den Gipfel erreicht, mit einigen unterhalten wir uns. Fast alle, die runterkommen, wünschen uns viel Glück, besonders dass das Wetter hält. Wir zwei kommen gut voran. Ich fühle mich blendend, so gut, dass sogar Sherpas hinter mir zurückbleiben. Wenn ich doch morgen auch so eine Form hätte. Im Gelben Band machen wir noch ein paar Filmaufnahmen, dann folgt der lange Quergang und der Aufstieg zum Genfer Sporn. Am Ende des Querganges kommt Wind auf, der immer stärker wird. Drüben am Everest sind schon wieder Schneefahnen zu sehen. Auf dem Genfer Sporn angekommen, zieht es fürchterlich. Von hier ist es nicht mehr so weit in den Südsattel. Eine halbe Stunde später erreiche ich gegen 13 Uhr den berühmt-berüchtigten Südsattel. Der Sturm lässt die Zelte laut knattern. Ein wirklich unwirtlicher Fleck hier oben, eine riesige sturmgepeitschte Fläche. Ich dachte, von hier den Makalu sehen zu können. Aber da muss man wahrscheinlich bis ans andere Ende des Plateaus laufen, und bei dem Sturm habe ich wahrlich keine Lust dazu. Mingma, unser anderer Sherpa, empfängt mich am Zelt, er hat schon was zu Trinken bereitet.

Ich krieche ins Zelt, wo es windgeschützt und wärmer ist. 20 Minuten später kommt Ole. Ihm geht es heute nicht ganz hundertprozentig, sonst wäre er vor mir da gewesen. Wir richten uns ein und warten auf den Funkkontakt mit den anderen. George und Götz haben Camp 2 erreicht, und Thomas ist im Basislager angekommen. Doch die neuesten Wettermeldungen sind nicht sehr erfreulich.

Die Inder sagen Schlechtwetter für die nächsten Tage voraus, die Amis, dass es eventuell noch einen Tag halten soll. Wir lassen uns erstmal nicht beirren. Gegen 23 Uhr wollen wir starten, vorausgesetzt der Wind hat sich bis dahin gelegt. Doch noch bläst er ohne Pause und beunruhigt uns. Wir beginnen mit Kochen und dem Füllen unserer Trinkflaschen. Stunde um Stunde vergeht, der Wind lässt nicht nach. Beim stündlichen Funkkontakt immer wieder die Frage, geht ihr los? Wir wissen es nicht, warten ab. 22 Uhr unveränderter Zustand, aber die Meldung von unten, der Wind soll gegen Mitternacht nachlassen. Weiß Gott, wo sie das her wissen. Wir vereinbaren, erst am nächsten Morgen wieder zu funken, so können die anderen endlich schlafen. Ole und ich überlegen uns, es zu versuchen, vielleicht lässt der Wind wirklich nach. Wir erhitzen die Getränke in den Trinkflaschen nochmal und schauen nochmal nach dem Wetter. Natürlich noch Sturm, aber auf Oles Seite in Richtung Everest Sternenhimmel. Als ich meinen Zelteingang öffne, trifft mich bald der Schlag. Über Nuptse und Lhotse zieht von Nepal eine schwarze Wand heran, darin zucken Blitze. Ich kann mich noch gut an die gleiche Situation vor ein paar Wochen im Camp 3 und das Wetter am nächsten Morgen erinnern. Das Risiko ist uns zu hoch. Wenn das Wetter wirklich noch ein paar Stunden hält, mal vom Wind abgesehen, und wir kommen in Gipfelnähe und dann schlägt das Wetter um, dann haben wir schlechte Karten. Von George wissen wir, wie weit das ist und wie langsam man ohne zusätzlichen Sauerstoff ist. Wir könnten noch ein paar Stunden abwarten, um zu sehen wie sich das Wetter entwickelt, aber dann wird es zu spät. Die anderen haben uns dringend geraten, vor Mitternacht loszugehen, um eine ähnliche Situation wie bei George zu vermeiden. Unser Entschluss fällt schwer, aber wir bleiben unten. Eine reelle Gipfelchance sehen wir für uns nicht. Und nur losgehen, um uns zu beweisen, dass wir über 8 000 m kommen, müssen wir nicht. Zusammen haben wir letztes Jahr auf dem Makalu gestanden und uns gut gefühlt. Deshalb sind wir ja zum Everest gefahren. Aber es unter diesen Umständen zu probieren, ist uns zu gefährlich, und mit Erfrierungen musste ich schon mal ungewollt meine Erfahrungen sammeln. Uns ist klar, das war's für den Everest. Wir sind uns einig, noch einen Tag hier oben ohne Sauerstoff sitzen, geht nicht. Wir sind eh schon die Einzigen, die hier ohne Flasche schlafen. Selbst unser Sherpa nimmt Sauerstoff, und der will nicht zum Gipfel. Unten habe ich oft gesagt "Bergsteigen am Everest ist ein Glücksspiel der ganz besonderen Art", und diesmal habe ich eben kein Glück. Aber damit muss man lernen umzugehen. Und das ist diesmal einfacher, denn wir sind ja schon eine erfolgreiche Expedition. Und unser Ziel ist jetzt eine glückliche Expedition, d. h. alle wieder gesund und ohne Blessuren unten. Der Wind bläst unvermindert bis nächsten Morgen gegen 6 Uhr, macht für eine Stunde Pause und weiter geht's. Das Gewitter hat diesmal nicht die Folgen wie im Camp 3, aber gute Bedingungen für eine sauerstofflose Besteigung sind es nicht.

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25.05. 9 Uhr beginnen wir mit dem Abstieg ins Camp 3. Am Beginn des Quergangs zum Gelben Band, fast an der selben Stelle wie bei Aufstieg, hört - wie zum Hohn - der Sturm auf. Nur die Sturmfahnen am Gipfelgrat zeigen uns, dass da oben alles unverändert ist. Wir steigen Lager um Lager ab und entscheiden uns letztendlich, noch bis ganz runter zu gehen. 18.30 Uhr erreichen wir das Basislager. Die Expedition am Berg ist zu Ende. Nochmals geht keiner von uns hoch. Obwohl Thomas nochmal überlegt hat. Er hatte sogar schon Mitstreiter gefunden. Aber letztendlich waren sie zu der Meinung gekommen, dass es zu spät ist und das Wetter zu unsicher. Sie sollten Recht behalten. Die nächsten Tage waren äußerst schlechtes Wetter, und im Eisbruch gab es einen weiteren riesigen Zusammenbruch, so dass die Route für Stunden unpassierbar war. Später erzählten die Sherpas von einer aus zehn Leiterstücken zusammengebundenen Leiter, um die entstandene Spalte überqueren zu können. Wir feierten im kleinen Rahmen unseren Erfolg und bereiteten uns auf den Rückmarsch vor.

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Herzliche Grüsse Frank und das Team

   
 

 

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