Hallo, da sind wir wieder, für all die, die keine
Zeit zum Lesen haben, hier die "Titelzeile": Alle Teilnehmer
wieder gesund im Basislager, Gipfelbesteigung des Pumori abgebrochen,
Übergang zum Hauptziel Everest. Hier nun alles im Einzelnen:
18.4.
Eigentlich wollten wir ja heute aufbrechen, aber Schlechtwetter
hält uns im Basislager fest.
19.4.
Mit zwei Teilnehmern der Trekkinggruppe, Moritz und Jörg,
brechen Götz und ich gegen Mittag zum Lager 1 auf. Was für
uns schon fast Gewohnheit ist, versetzt die Beiden in Verzückung.
Der Anblick der gigantischen Berge ist aber auch wundervoll.
Gemeinsam erreichen wir unser Lager und genießen die Landschaft.
Nach einer Stunde steigen die Zwei auf dem unproblematischen
Weg wieder ins Basislager zurück, um tags darauf ihre Tour
fortzusetzen. Es dauert gar nicht lange, und es zieht wieder
zu. Gegen 16 Uhr kommen die anderen Drei. Wir sprechen noch
den Plan für den morgigen Tag ab, 4 Uhr Wecken, 5 Uhr sollen
die ersten Zwei starten, die anderen dann mit zeitlichem Versatz.
Insgesamt haben wir jetzt weitere 600 m Fixseil , 2 x 50 m
Kletterseile und 1 x 40 m Hilfsseil zur Verfügung. Das müsste
eigentlich reichen. Und ab dem Sattel soll es ja bis zum Gipfel
Gehgelände sein.

20.4.
Bestes Wetter, alles läuft nach Plan, schon 8 Uhr erreichen
Ole und Thomas das Ende der Fixseile, ca. 5 800 m. Sorry,
im vorletzten Bericht war von 6 000 m die Rede, aber Götz
hatte da was an seiner Uhr verstellt. Das Gelände bleibt schwierig,
fast alles Wassereis. Wir versuchen den großen Eisturm zu
queren, was allerdings nicht geht, wir müssen fast oben drüber.
Alte Fixseilstücken zeigen uns, dass hier auch schon andere
früher lang sind. Das Gelände wird immer wilder. Eiszacken
über den Köpfen mahnen zur Umsicht. Endlich löst sich das
Eiswirrwarr auf, und wir erreichen einen Schneegrat. Doch
der weitere Anblick ist nicht gerade das, was wir erwartet
haben. Spalten, Wassereis und weitere Eistürme erwarten uns.
Und wir haben nur noch 300 m Fixseil. 14.30 Uhr kehren Georg,
Götz und Thomas um. Ole und ich machen noch eine Stunde weiter,
bis uns das Wetter umkehren lässt. Zwei Stunden seilen wir
ab. Morgen wird wohl erst mal ein Ruhetag nötig sein. Die
anderen Drei sind schon ein Weile im Lager 1 und wollen noch
ins Basecamp absteigen. Ole und ich bleiben oben.

21.4.
Die Waden schmerzen etwas, der gestrige Tag hat ganz schön
geschlaucht. Gegen Mittag kommen die anderen hoch. Wir überlegen
die weitere Taktik. Eigentlich wollen wir Lager 2 auf dem
Sattel aufschlagen, aber noch fehlen 300, 400 Höhenmeter,
die wahrscheinlich auch versichert werden müssen.
Und
das Lager hochschieben, d. h. Zelte, Schlafsäcke,
Essen, Kocher usw. in den Rucksäcken transportieren, und
dazu steile Eispassagen klettern und Fixseile verlegen,
das geht nicht. |
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Nach
langem Hin und Her, Für und Wider entschließen wir uns, auf
dem Schneegrat das Lager aufzubauen und von dort aus vielleicht
noch morgen ohne Gepäck bis zum Sattel zu versichern und dann
vom Lager 2 einen Gipfelangriff zu wagen.

22.4.
Nach knapp vier Stunden an der Steigklemme hochziehen, sind
wir wieder auf dem Schneegrat, froh dass sich keiner der großen
Eisbrocken über uns gelöst hat. Götz, George und Thomas beginnen
mit dem Ausschachten der Plattformen für die beiden Zelte.
Ole und ich gehen weiter an die Versicherung der Route. 100
m Fixseil, was wir vor zwei Tagen verlegt haben, entfernen
wir wieder. Es ist dort nicht so schwer, und wir werden wohl
jeden Meter brauchen. Immer wieder denken wir, jetzt wird's
gleich einfacher, doch unter der dünnen Schneedecke ist Blankeis.
Außerdem versperren Eistürme und Spalten eine logische gerade
Aufstiegsroute. Ole muss wieder richtig Eisklettern, 80 bis
90 Grad steil, von meinem Sicherungsstandpunkt sieht es äußerst
verwegen aus, wo er lang klettert. Aller paar Meter eine Eisschraube,
das ist alles an Sicherung. Und nicht zu vergessen, wir sind
über 6 000 m hoch.
Ole
holt mich nach, besser gesagt er fixiert das Seil und ich
arbeite mich mit der Steigklemme hinterher. Aber dort, wo
Ole mit den beiden Eisgeräten über die Eiswulst geklettert
ist, komme ich mit dem Gepäck und nur mit einer Steigklemme
nicht drüber. Das Seil wird umgelegt, und ich quere ein Stück
in der Eiswand, um dann über ein fast senkrechtes Stück auf
den Absatz zu gelangen. Schon wieder ist es 15 Uhr, wir müssen
umkehren.
Die nächsten 100, 200 Meter sind etwas flacher, aber wir werden
sie auch versichern müssen, da alles Eis ist. Was danach kommt,
sieht nicht besonders einladend aus, wieder Eistürme und riesige
Spalten und Löcher. Da
werden wir wohl noch einen ganzen Tag Arbeit investieren müssen.
Aber dann ist ja nur der Gipfelgrat, und der soll unproblematisch
sein. Wir drehen um. Lager 2 steht, zwei Zelte exponiert auf
einem Schneegrat. Kaputt fallen wir in unsere Schlafsäcke.

23.4.
Heute muss es klappen bis zum Sattel. Wir deinstallieren noch
ein weiteres Fixseil, was nach unten führt. Wir schneiden
uns sozusagen erstmal den Rückweg ab. Wenn wir dann wirklich
wieder absteigen wollen, werden wir dort an unseren Kletterseilen
abseilen. Jetzt brauchen wir erstmal das Seil, wir wollen
hoch. Wie schon erwähnt, sind die ersten neun hundert Meter
schnell versichert, dann ein Eisturm, 30 m hoch, 70 bis 80
Grad steil, Thomas verlegt das Fixseil. Wir jumarn hinterher.
Doch dann glauben wir unseren Augen nicht zu trauen. Es gibt
keinen normalen Weiterweg, keinen Durchschlupf. Links neben
uns eine riesige Spalte, unbegehbar. Rechts neben uns ein
Loch, 20 m tief mit Tausenden aufeinandergelegten Eisbrocken.
Genau darüber, jetzt frei in der Luft gespannt, ein ca. 200
m langes , altes Fixseil. Hier muss früher mal der Weg lang
gegangen sein. Unsere einzige Möglichkeit bleibt ein drei
Meter hoher Eisüberhang. Thomas will es probieren. Eisgeräte
rein, Fuß in eine Trittschlinge, Eisgerät umsetzen, hochtreten,
hoffentlich hält die Haue im Eis. Thomas keucht wie ein Hundertmetersprinter,
kein Wunder in dieser Höhe.
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Und
dann hat er es geschafft, dreht eine Eisschraube und
ruht sich erstmal aus. Wir Nachsteiger bekommen ein
Fixseil und ein Seil mit Handschlaufen. Die Rucksäcke
werden hochgezogen, und wir hangeln uns unter großer
Kraftanstrengung nach oben. Weiter geht's.
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Der Blick nach oben lässt uns erschaudern. Jetzt ist der riesige,
vielleicht 200 m breite Hängegletscher genau über uns. Nur
ein paar kleine Eistürme schützen uns noch. Im Rechtsbogen
geht's weiter und müssen wir unabdingbar in eine große Rinne.
Jetzt sind wir völlig ungeschützt. Vielleicht 70 m, dann wird's
wieder besser.
Ole und Thomas sind bereits um die Ecke verschwunden, George
ist gerade dabei. Ich steige in den untersten Teil ein, Götz
ist ca. 30 m über mir. Ich schaue hoch und hoffe, dass jetzt
bloß nichts da oben losbricht. Warum auch gerade jetzt? Die
ganze Zeit war Ruhe. Ich steige los, da höre ich es krachen
und den Schrei von Götz: Achtung, Steinschlag. Genau über
uns rast eine weiße Wolke auf uns zu. Die Eisstücke rasen
im freien Fall auf uns zu. Götz schmiegt sich an die Eiswand,
die ein klein wenig außerhalb der Schusslinie liegt. Ich springe
in großen Schritten nach rechts, um aus der Schusslinie und
in den Schutz einer kleinen Eiswand zu kommen, schmeiße mich
auf die Knie, presse den Kopf in den Schnee, so dass der Rucksack
nach oben kommt. Da schlagen die ersten Eisstücke ein, zum
Glück nur kleine. Kurz vorher sind die großen Batzen aufgeschlagen
und zersplittert. Götz bekommt was auf die Schulter, ich was
auf Helm und Rucksack. Endlich Ruhe, alles ist gut gegangen.
Es war zum Glück nur eine kleine Eislawine. Während Götz schnell
in den etwas sichereren Korridor aufsteigt, stelle ich mich
in den sicheren Schatten der kleinen Eiswand und schaue gebannt
nach oben, nichts passiert. Das Fixseil ist frei. Mit keuchenden
Lungen arbeite ich mich zu den anderen hoch. Geschafft, in
Sicherheit. Na, ja, wieder mal Schwein gehabt. Mir kommt ein
treffender Spruch in den Sinn: "Wenn die Bergsteiger soviel
Pech hätten wie sie Glück haben, wären sie längst ausgestorben".
Zehn Minuten später ist das Ganze erst mal vergessen, denn
wir hören den Ruf von Ole, dass der Stein in Sicht ist. Der
Stein ist der Punkt kurz unterhalb vom Sattel, den wir schon
von unten gesehen haben, bald haben wir es geschafft. Das
Fixseil ist jetzt alle, über eine vermutliche Spalte legen
wir das Hilfsseil. Dann kommen die Kletterseile dran. Ole
und ich wollen unbedingt noch zum Sattel, um den Weiterweg
zu sehen. Die anderen Drei kehren um. Endlich sind wir am
Stein. Noch 50 m bis zum Grat, 6 400 m hoch. Ich freue mich
schon auf einen schönen Anblick. Ein breiter, flacher Schneegrat,
am Ende der Gipfel, so jedenfalls stelle ich es mir vor. Doch
die Ernüchterung lässt nicht lange auf sich warten. Nach einer
Spaltenpassage, eine ca. 100m breite Wand, vielleicht 40 Grad
steil. Viel Blau leuchtet uns entgegen, Wassereis. Und weit
ist es noch, sehr weit. Meine Euphorie wandelt sich in Ratlosigkeit.
Auch Ole winkt ab. Wie jetzt weiter? Wir lassen erstmal die
Kletterseile hängen und steigen bzw. seilen zurück zum Lager.
Wir schildern die Lage den anderen. Was wäre möglich? Aufstieg
am nächsten oder übernächsten Tag und es in Seilschaften versuchen.
Doch 700 Höhenmeter sind kein Pappenstiel, und das Gelände
lässt alles andere als schnelles Klettern erwarten. Das Schlimmste:
Wir haben nur noch fünf Eisschrauben und keinen Meter Fixseil.
So erscheint uns das ziemlich sinnlos. Nur da hoch gehen,
um zu merken, dass es nicht funktioniert.
Über eins sind wir uns erstmal im Klaren: Wir wollen es sicher
machen, der Pumori ist nicht Hauptziel der Expedition. Bleibt
die Variante absteigen, neue Fixseile besorgen, wieder aufsteigen,
das Lager 2 in den Sattel verlagern, Gipfelversuch. Zeitbedarf
ca. sieben Tage, da wären wir schon im Mai. Unser Plan besagt
aber, spätestens Ende April zum Everest umzusetzen. Die Entscheidung
fällt nicht leicht. Wir haben 1 500 m Fixseil verlegt, 30
Eisschrauben und 30 Snowbars zur Befestigung der Seile gesetzt,
schwierige Klettereien hinter uns gebracht. Aber was soll's,
es ist der Akklimatisationsberg. Ich würde gerne die Umsetzung
zum Everest verschieben und neue Fixseile besorgen. Aber da
stehe ich allein und muss einsehen, dass es doch besser ist
abzubrechen. Der Gedanke an den Hängegletscher und Eisschlag
und daran, diese Passage noch mehrmals begehen zu müssen,
macht die Entscheidung etwas einfacher. Wir brechen hier ab.
Zur besseren Akklimatisation wollen wir noch hier oben bleiben,
Material bergen und am 25.4. ins Basislager zurückkehren.

24.4.
Eigentlich sollte heute für alle Ruhetag sein, aber Götz und
George wollen schon heute das Material bergen, "da haben wir's
weg". Nach dem Mittag kommen sie schwer bepackt wieder und
bestätigen Oles und meine Meinung vom Aufstieg zum Gipfel.

25.4.
Wir bauen Camp 2 ab, seilen ab zu Camp 1 und bauen auch dieses
ab. Drei Leute vom Küchenteam helfen uns, alles an diesem
Tag ins Basislager zu bringen. Wie zur Bestätigung für unsere
Entscheidung ist den ganzen Tag schlechtes Wetter, starker
Wind, Wolken, Schneefall. Der Everest hat eine bedrohliche
schwarze Wolkenkappe. Wenn wir anders entschieden hätten,
wäre heute Gipfeltag gewesen, aber bei dem Wetter keine Chance.
Unser Essen wäre oben alle gewesen und und und ... Nach sieben
Tagen erreichen wir alle gesund das Basislager. Endlich wieder
mal was richtiges essen. Jetzt warten wir erstmal auf die
Trekking-Gruppe, die übermorgen hier ankommen soll. Alles
weitere später.

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Herzliche
Grüsse Frank und das Team
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