Lager II am Pumori


 Tagebuch vom 18.04. - 25.04.

18.04. Warten im BC
19.04. Trekkingruppe will ins L1
20.04. Vorstoß zum Gipfel
21.04. Aufbau Lager 2
22.04. Ole im Steileis
23.04. Eisschlag
24.04. Bergen des Materials
25.04. Abstieg zum Basecamp


Frank Meutzner bringt Ausrüstung zum Lager II

Ich steige los, da höre ich es krachen und den Schrei von Götz: Achtung, Steinschlag. Genau über uns rast eine weiße Wolke auf uns zu. Die Eisstücke rasen im freien Fall auf uns zu. Götz schmiegt sich an die Eiswand, die ein klein wenig außerhalb der Schusslinie liegt.


Plattformen für die Zelte werden ausgeschachtet, in diesen Höhen eine sehr anstrengende Sache.

Viel Blau leuchtet uns entgegen, Wassereis. Und weit ist es noch, sehr weit. Meine Euphorie wandelt sich in Ratlosigkeit. Auch Ole winkt ab. Wie jetzt weiter? Wir lassen erstmal die Kletterseile hängen und steigen bzw. seilen zurück zum Lager. Wir schildern die Lage den anderen. Was wäre möglich? Aufstieg am nächsten oder übernächsten Tag und es in Seilschaften versuchen. Doch 700 Höhenmeter sind kein Pappenstiel, und das Gelände lässt alles andere als schnelles Klettern erwarten.


Everest und Lhotse


25.04.2001 Pumori-Basislager


Hallo
, da sind wir wieder, für all die, die keine Zeit zum Lesen haben, hier die "Titelzeile": Alle Teilnehmer wieder gesund im Basislager, Gipfelbesteigung des Pumori abgebrochen, Übergang zum Hauptziel Everest. Hier nun alles im Einzelnen:


18.4. Eigentlich wollten wir ja heute aufbrechen, aber Schlechtwetter hält uns im Basislager fest.

19.4. Mit zwei Teilnehmern der Trekkinggruppe, Moritz und Jörg, brechen Götz und ich gegen Mittag zum Lager 1 auf. Was für uns schon fast Gewohnheit ist, versetzt die Beiden in Verzückung. Der Anblick der gigantischen Berge ist aber auch wundervoll. Gemeinsam erreichen wir unser Lager und genießen die Landschaft. Nach einer Stunde steigen die Zwei auf dem unproblematischen Weg wieder ins Basislager zurück, um tags darauf ihre Tour fortzusetzen. Es dauert gar nicht lange, und es zieht wieder zu. Gegen 16 Uhr kommen die anderen Drei. Wir sprechen noch den Plan für den morgigen Tag ab, 4 Uhr Wecken, 5 Uhr sollen die ersten Zwei starten, die anderen dann mit zeitlichem Versatz. Insgesamt haben wir jetzt weitere 600 m Fixseil , 2 x 50 m Kletterseile und 1 x 40 m Hilfsseil zur Verfügung. Das müsste eigentlich reichen. Und ab dem Sattel soll es ja bis zum Gipfel Gehgelände sein.

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20.4. Bestes Wetter, alles läuft nach Plan, schon 8 Uhr erreichen Ole und Thomas das Ende der Fixseile, ca. 5 800 m. Sorry, im vorletzten Bericht war von 6 000 m die Rede, aber Götz hatte da was an seiner Uhr verstellt. Das Gelände bleibt schwierig, fast alles Wassereis. Wir versuchen den großen Eisturm zu queren, was allerdings nicht geht, wir müssen fast oben drüber. Alte Fixseilstücken zeigen uns, dass hier auch schon andere früher lang sind. Das Gelände wird immer wilder. Eiszacken über den Köpfen mahnen zur Umsicht. Endlich löst sich das Eiswirrwarr auf, und wir erreichen einen Schneegrat. Doch der weitere Anblick ist nicht gerade das, was wir erwartet haben. Spalten, Wassereis und weitere Eistürme erwarten uns. Und wir haben nur noch 300 m Fixseil. 14.30 Uhr kehren Georg, Götz und Thomas um. Ole und ich machen noch eine Stunde weiter, bis uns das Wetter umkehren lässt. Zwei Stunden seilen wir ab. Morgen wird wohl erst mal ein Ruhetag nötig sein. Die anderen Drei sind schon ein Weile im Lager 1 und wollen noch ins Basecamp absteigen. Ole und ich bleiben oben.

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21.4. Die Waden schmerzen etwas, der gestrige Tag hat ganz schön geschlaucht. Gegen Mittag kommen die anderen hoch. Wir überlegen die weitere Taktik. Eigentlich wollen wir Lager 2 auf dem Sattel aufschlagen, aber noch fehlen 300, 400 Höhenmeter, die wahrscheinlich auch versichert werden müssen.

Und das Lager hochschieben, d. h. Zelte, Schlafsäcke, Essen, Kocher usw. in den Rucksäcken transportieren, und dazu steile Eispassagen klettern und Fixseile verlegen, das geht nicht.

Nach langem Hin und Her, Für und Wider entschließen wir uns, auf dem Schneegrat das Lager aufzubauen und von dort aus vielleicht noch morgen ohne Gepäck bis zum Sattel zu versichern und dann vom Lager 2 einen Gipfelangriff zu wagen.

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22.4. Nach knapp vier Stunden an der Steigklemme hochziehen, sind wir wieder auf dem Schneegrat, froh dass sich keiner der großen Eisbrocken über uns gelöst hat. Götz, George und Thomas beginnen mit dem Ausschachten der Plattformen für die beiden Zelte. Ole und ich gehen weiter an die Versicherung der Route. 100 m Fixseil, was wir vor zwei Tagen verlegt haben, entfernen wir wieder. Es ist dort nicht so schwer, und wir werden wohl jeden Meter brauchen. Immer wieder denken wir, jetzt wird's gleich einfacher, doch unter der dünnen Schneedecke ist Blankeis. Außerdem versperren Eistürme und Spalten eine logische gerade Aufstiegsroute. Ole muss wieder richtig Eisklettern, 80 bis 90 Grad steil, von meinem Sicherungsstandpunkt sieht es äußerst verwegen aus, wo er lang klettert. Aller paar Meter eine Eisschraube, das ist alles an Sicherung. Und nicht zu vergessen, wir sind über 6 000 m hoch.
Ole holt mich nach, besser gesagt er fixiert das Seil und ich arbeite mich mit der Steigklemme hinterher. Aber dort, wo Ole mit den beiden Eisgeräten über die Eiswulst geklettert ist, komme ich mit dem Gepäck und nur mit einer Steigklemme nicht drüber. Das Seil wird umgelegt, und ich quere ein Stück in der Eiswand, um dann über ein fast senkrechtes Stück auf den Absatz zu gelangen. Schon wieder ist es 15 Uhr, wir müssen umkehren.

Die nächsten 100, 200 Meter sind etwas flacher, aber wir werden sie auch versichern müssen, da alles Eis ist. Was danach kommt, sieht nicht besonders einladend aus, wieder Eistürme und riesige Spalten und Löcher.
Da werden wir wohl noch einen ganzen Tag Arbeit investieren müssen. Aber dann ist ja nur der Gipfelgrat, und der soll unproblematisch sein. Wir drehen um. Lager 2 steht, zwei Zelte exponiert auf einem Schneegrat. Kaputt fallen wir in unsere Schlafsäcke.

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23.4. Heute muss es klappen bis zum Sattel. Wir deinstallieren noch ein weiteres Fixseil, was nach unten führt. Wir schneiden uns sozusagen erstmal den Rückweg ab. Wenn wir dann wirklich wieder absteigen wollen, werden wir dort an unseren Kletterseilen abseilen. Jetzt brauchen wir erstmal das Seil, wir wollen hoch. Wie schon erwähnt, sind die ersten neun hundert Meter schnell versichert, dann ein Eisturm, 30 m hoch, 70 bis 80 Grad steil, Thomas verlegt das Fixseil. Wir jumarn hinterher. Doch dann glauben wir unseren Augen nicht zu trauen. Es gibt keinen normalen Weiterweg, keinen Durchschlupf. Links neben uns eine riesige Spalte, unbegehbar. Rechts neben uns ein Loch, 20 m tief mit Tausenden aufeinandergelegten Eisbrocken. Genau darüber, jetzt frei in der Luft gespannt, ein ca. 200 m langes , altes Fixseil. Hier muss früher mal der Weg lang gegangen sein. Unsere einzige Möglichkeit bleibt ein drei Meter hoher Eisüberhang. Thomas will es probieren. Eisgeräte rein, Fuß in eine Trittschlinge, Eisgerät umsetzen, hochtreten, hoffentlich hält die Haue im Eis. Thomas keucht wie ein Hundertmetersprinter, kein Wunder in dieser Höhe.

Und dann hat er es geschafft, dreht eine Eisschraube und ruht sich erstmal aus. Wir Nachsteiger bekommen ein Fixseil und ein Seil mit Handschlaufen. Die Rucksäcke werden hochgezogen, und wir hangeln uns unter großer Kraftanstrengung nach oben. Weiter geht's.

Der Blick nach oben lässt uns erschaudern. Jetzt ist der riesige, vielleicht 200 m breite Hängegletscher genau über uns. Nur ein paar kleine Eistürme schützen uns noch. Im Rechtsbogen geht's weiter und müssen wir unabdingbar in eine große Rinne. Jetzt sind wir völlig ungeschützt. Vielleicht 70 m, dann wird's wieder besser.

Ole und Thomas sind bereits um die Ecke verschwunden, George ist gerade dabei. Ich steige in den untersten Teil ein, Götz ist ca. 30 m über mir. Ich schaue hoch und hoffe, dass jetzt bloß nichts da oben losbricht. Warum auch gerade jetzt? Die ganze Zeit war Ruhe. Ich steige los, da höre ich es krachen und den Schrei von Götz: Achtung, Steinschlag. Genau über uns rast eine weiße Wolke auf uns zu. Die Eisstücke rasen im freien Fall auf uns zu. Götz schmiegt sich an die Eiswand, die ein klein wenig außerhalb der Schusslinie liegt. Ich springe in großen Schritten nach rechts, um aus der Schusslinie und in den Schutz einer kleinen Eiswand zu kommen, schmeiße mich auf die Knie, presse den Kopf in den Schnee, so dass der Rucksack nach oben kommt. Da schlagen die ersten Eisstücke ein, zum Glück nur kleine. Kurz vorher sind die großen Batzen aufgeschlagen und zersplittert. Götz bekommt was auf die Schulter, ich was auf Helm und Rucksack. Endlich Ruhe, alles ist gut gegangen. Es war zum Glück nur eine kleine Eislawine. Während Götz schnell in den etwas sichereren Korridor aufsteigt, stelle ich mich in den sicheren Schatten der kleinen Eiswand und schaue gebannt nach oben, nichts passiert. Das Fixseil ist frei. Mit keuchenden Lungen arbeite ich mich zu den anderen hoch. Geschafft, in Sicherheit. Na, ja, wieder mal Schwein gehabt. Mir kommt ein treffender Spruch in den Sinn: "Wenn die Bergsteiger soviel Pech hätten wie sie Glück haben, wären sie längst ausgestorben". Zehn Minuten später ist das Ganze erst mal vergessen, denn wir hören den Ruf von Ole, dass der Stein in Sicht ist. Der Stein ist der Punkt kurz unterhalb vom Sattel, den wir schon von unten gesehen haben, bald haben wir es geschafft. Das Fixseil ist jetzt alle, über eine vermutliche Spalte legen wir das Hilfsseil. Dann kommen die Kletterseile dran. Ole und ich wollen unbedingt noch zum Sattel, um den Weiterweg zu sehen. Die anderen Drei kehren um. Endlich sind wir am Stein. Noch 50 m bis zum Grat, 6 400 m hoch. Ich freue mich schon auf einen schönen Anblick. Ein breiter, flacher Schneegrat, am Ende der Gipfel, so jedenfalls stelle ich es mir vor. Doch die Ernüchterung lässt nicht lange auf sich warten. Nach einer Spaltenpassage, eine ca. 100m breite Wand, vielleicht 40 Grad steil. Viel Blau leuchtet uns entgegen, Wassereis. Und weit ist es noch, sehr weit. Meine Euphorie wandelt sich in Ratlosigkeit. Auch Ole winkt ab. Wie jetzt weiter? Wir lassen erstmal die Kletterseile hängen und steigen bzw. seilen zurück zum Lager. Wir schildern die Lage den anderen. Was wäre möglich? Aufstieg am nächsten oder übernächsten Tag und es in Seilschaften versuchen. Doch 700 Höhenmeter sind kein Pappenstiel, und das Gelände lässt alles andere als schnelles Klettern erwarten. Das Schlimmste: Wir haben nur noch fünf Eisschrauben und keinen Meter Fixseil. So erscheint uns das ziemlich sinnlos. Nur da hoch gehen, um zu merken, dass es nicht funktioniert.

Über eins sind wir uns erstmal im Klaren: Wir wollen es sicher machen, der Pumori ist nicht Hauptziel der Expedition. Bleibt die Variante absteigen, neue Fixseile besorgen, wieder aufsteigen, das Lager 2 in den Sattel verlagern, Gipfelversuch. Zeitbedarf ca. sieben Tage, da wären wir schon im Mai. Unser Plan besagt aber, spätestens Ende April zum Everest umzusetzen. Die Entscheidung fällt nicht leicht. Wir haben 1 500 m Fixseil verlegt, 30 Eisschrauben und 30 Snowbars zur Befestigung der Seile gesetzt, schwierige Klettereien hinter uns gebracht. Aber was soll's, es ist der Akklimatisationsberg. Ich würde gerne die Umsetzung zum Everest verschieben und neue Fixseile besorgen. Aber da stehe ich allein und muss einsehen, dass es doch besser ist abzubrechen. Der Gedanke an den Hängegletscher und Eisschlag und daran, diese Passage noch mehrmals begehen zu müssen, macht die Entscheidung etwas einfacher. Wir brechen hier ab. Zur besseren Akklimatisation wollen wir noch hier oben bleiben, Material bergen und am 25.4. ins Basislager zurückkehren.

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24.4. Eigentlich sollte heute für alle Ruhetag sein, aber Götz und George wollen schon heute das Material bergen, "da haben wir's weg". Nach dem Mittag kommen sie schwer bepackt wieder und bestätigen Oles und meine Meinung vom Aufstieg zum Gipfel.

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25.4. Wir bauen Camp 2 ab, seilen ab zu Camp 1 und bauen auch dieses ab. Drei Leute vom Küchenteam helfen uns, alles an diesem Tag ins Basislager zu bringen. Wie zur Bestätigung für unsere Entscheidung ist den ganzen Tag schlechtes Wetter, starker Wind, Wolken, Schneefall. Der Everest hat eine bedrohliche schwarze Wolkenkappe. Wenn wir anders entschieden hätten, wäre heute Gipfeltag gewesen, aber bei dem Wetter keine Chance. Unser Essen wäre oben alle gewesen und und und ... Nach sieben Tagen erreichen wir alle gesund das Basislager. Endlich wieder mal was richtiges essen. Jetzt warten wir erstmal auf die Trekking-Gruppe, die übermorgen hier ankommen soll. Alles weitere später.


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Herzliche Grüsse Frank und das Team

   
 

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