Der Bericht

Text von Götz Wiegand und Frank Meutzner

Am 21. September 1999 startete eine kleine sechsköpfige Expedition von Dresden in den Himalaya. Ziel war die Erkundung eines sehr selten besuchten Gebietes nordwestlich des Manaslu an der Grenze zwischen Nepal und Tibet. Nach Möglichkeit sollte der 7126 m hohe Himlung, den wir im Frühjahr vom Manaslu aus gesehen hatten, bestiegen werden. Außerdem wollten wir neue Ausrüstungsgegenstände testen, die bei der "Himalaya 2000" im nächsten Frühjahr zum Baruntse und zum Makalu eingesetzt werden sollen.
Nach unserer Ankunft in der Hauptstadt Nepals, Kathmandu, begann wie immer der Streß der letzten Vorbereitungen vor Ort. Allerdings hatte unser Sirdar Mingmar Sherpa sehr gute Vorarbeit geleistet, und so konnten wir schon am 24. September Kathmandu in Richtung Berge verlassen. Vorher erhielten wir aber noch Besuch in unserem Hotel:

Berge 1999 "Your first problem might be: which mountain is the Himlung."
Dieser Satz stand am Beginn unseres Treffens mit der bekannten Journalistin für das American Alpine Journal Miss Elisabeth Hawley, die die Statistiken der Bergbesteigungen in Nepal führt und alle Expeditionen bei Aufbruch und Rückkehr in Kathmandu aufsucht.
Aus ihren Unterlagen war zu entnehmen, dass der Himlung erstmals 1992 von Japanern bestiegen wurde und es sehr schwierig sei, herauszufinden, welcher Berg dieser Berggruppe der Himlung ist.

Von Kathmandu aus fuhren wir zunächst mit dem Bus nach Beshisahar, dem Ausgangspunkt des bekannten Annapurna-Treks. Von dort zogen wir mit 35 Trägern los, und erreichten nach einem faszinierenden 7-tägigen Anmarsch durch eine einmalige Landschaft den Platz für das Basislager zu Füßen der Siebentausender Gyachikang, Nemjung und Himlung. Auf dem Anmarsch ins Basislager wurden wir von einer neunköpfigen Trekkinggruppe begleitet, die anschließend weiter über den Annapurna-Trek nach Phokara wanderte und dann nach Kathmandu zurückkehrte.
Die letzten drei Tage dieses Treks werden uns wohl für immer unvergesslich bleiben. Nachdem wir in Koto den Annapurna-Trek verlassen hatten, führte der Weiterweg durch ein einsames Tal mit Naturwundern, wie wir sie bis dahin alle noch nicht gesehen hatten. Steile, riesig hohe Felswände wechselten mit weiten Talflächen. Manchmal hatten wir den Eindruck, in den Dolomiten zu sein, aber nach der nächsten Talbiegung erwarteten wir reitende Indianer, so sehr erinnerte die Landschaft an den Wilden Westen. Es war wunderschön.
Das einzige, noch bewohnte Dorf am Ende des Tales ist Phugaon, vor allem bekannt durch sein Kloster und seinen weithin bekannten heilkundigen Lama.

Das Wetter auf dem Anmarsch war für die Herbstsaison, die Nachmonsunzeit, in Nepal sehr ungewöhnlich. Die Berge lagen zu Anfang der Expedition immer in den Wolken und erst am 8.10.99 sollten das erstemal die Berge oberhalb 6000 m sichtbar sein. Inzwischen hatten wir am 2.10.99 das Basislager der japanischen Expedition von 1992, mit Hilfe eines Bewohners von Phugaon gefunden und uns dort eingerichtet.
In den folgenden Tagen haben wir die Aufstiegsroute erkundet und am 4.10.99 das Camp 1 in 5300 m Höhe aufgebaut. Dort kam auch ein neues Expeditionszelt, das uns von KARSTADT zur Verfügung gestellt worden war, zum Einsatz. Es hielt den großen Belastungen stand und soll uns nun auch bei der "Himalaya 2000" gute Dienste leisten.

Das Errichten des Lagers 2 gestaltete sich kompliziert. Zunächst war ein Weg durch das Spaltenlabyrinth eines Gletschers zu finden und teilweise mit Fixseilen zu versichern. Dann mußte die Route auf ein 6000 m hohes Plateau auf dem NO-Grat, über den wir den Himlung besteigen wollten, eingerichtet werden. Wir arbeiteten in zwei Gruppen und verlegten 150 m Fixseil. Die Witterungsbedingungen waren weiterhin sehr kompliziert, meist dichter Nebel und ab 5500 m Höhe schlechte und gefährliche Schneebedingungen. Der Sommermonsun war erst Anfang September zu Ende gegangen und hatte ergiebige Schneefälle gebracht. Der Schnee hatte sich noch nicht gesetzt, aber auf der Oberfläche hatte sich durch den ständigen starken Wind eine dünne, harte Schicht gebildet, die uns aber leider nicht trug. Ständig herrschte Lawinen-und Schneebrettgefahr und wir mußten sehr sorgfältig den Weg auswählen.

Ole am Schlappseil-Himal Nach anstrengender Schneewühlerei stand am 9. Oktober das Lager 2 in 6150 m Höhe und ca. 2 Stunden von dort entfernt sahen wir den Himlung das erste Mal in seiner ganzen Größe. Der Berg sah imposant, aber auch gefährlich aus. Von unserem Lager 2 führte der Weg über einen schmalen, überwächteten Grat, zunächst teilweise sogar wieder im Abstieg, zu der sehr steilen Gipfelwand, in der es offensichtlich auch technische Problem geben würde. Zudem bereitete uns der hohe, lockere Schnee große Probleme. Nachdem sich dann auch noch im Gipfelbereich des Himlung zwei ca. 200m lange Abrißkanten im Schnee der bis zu 60 Grad steilen und 800m hohen Schlußwand gebildet hatten, beschloß die Expedition auf eine Besteigung zu verzichten. Das Risiko des Abrutschens der gesamten Flanke war einfach zu hoch.

Nach dem Abbau der Hochlager wurde in den folgenden Tagen deshalb die weitere Umgebung erkundet. Dabei wurden zahlreiche, faszinierende Aufstiegsmöglichkeiten auf zum Teil noch unbestiegene Gipfel entdeckt und ein 5800m hoher Berg erklettert. Für den Fall der Erstbesteigung taufte die Expedition den Berg auf den Namen "Schlappseil-Himal", nach der bekannten Dresdner Bergsteigerband Schlappseil.
Nachdem bereits eine Woche vorher die Trekkinggruppe komplett zu Hause eingetroffen war, kamen alle Expeditionsmitglieder gesund am 26. Oktober wieder in Dresden an.


Obwohl wir auf die Besteigung des Himlung verzichteten mußten, sind wir mit den Ergebnissen dieser Vorbereitungsfahrt auf die "Himalaya 2000" zufrieden. Die getesteten Ausrüstungsgegenstände entsprachen unseren Vorstellungen und werden im nächsten Frühjahr zum Einsatz kommen.

Und vielleicht werden wir noch einmal in dieses Gebiet fahren, denn es gibt viele Möglichkeiten an zahlreichen schönen, unbestiegenen Bergen.

Himlung ´99